Ein Stück über Sven

Wenn junge Menschen sich im darstellenden Spiel ihren Themen zuwenden, kann beeindruckendes entstehen. So sah ich dieser Tage unter der Obhut der Lehrerinnen Heike Schade und Luisa Stelle am Bertolt-Brecht-Gymnasium der Stadt Brandenburg Stücke, in denen ich nachdenkliches über den zweifelhaften Zustand deutscher Justiz mancherorts oder erschütterndes über den Krieg erlebte - aber auch ein Stück über etwas Zauberhaftes und Lebenswertes in einer düsteren Welt: der ersten Liebe. Jedes Stück hatte dabei etwas Besonderes, sowohl jene, die tiefste menschliche Abgründe zeigten, als auch jenes über die Zuneigung zwischen Menschen. Dass es im Vorfeld zu letzterem aufgeregte Diskussionen darüber gab, ob man (in diesem Falle sehr harmlose) Sexualität überhaupt in einer Jugendaufführung darstellen darf, empfand ich als abseits jedweder Aufklärung und sehr bedenklich…


Ein Stück jedoch hat mich aus persönlichen Gründen schon während der Proben und an den beiden Tagen der Aufführungen auf eine besondere Art bewegt - das Stück über meinen Weggefährten "Sven Beuter“. Inszeniert wurde es von Schülerinnen und Schülern der zehnten Klassen und Heike Schade. Sie ist erst kürzlich für die Aufführung „Ich bin eine Hempel“, welches die Geschichte eines sich im Nationalsozialismus auf dem Weg zur Ermordung befindenden Kindes aufgreift, beim bundesweiten Theaterwettbewerb „andersartig gedenken on stage“ ausgezeichnet worden.
„Sven Beuter“ hingegen spielt in einer jüngeren Vergangenheit, in der die Ideologie jedoch weiterhin das vermeintlich Andere tötete. Wieder beschäftigte ich mich mit Sven, seinem Leben, und seinem Tod. Ich schaute mir alte Fotos an und erinnerte mich an unsere gemeinsame Zeit - und an jene Zeiten, in denen ich ihn nicht schützen konnte. Sven und ich quälten uns durch eine Lehre, in der wir uns unwohl fühlten. Später hingen wir auf Metal-Konzerten ab, und er fand im Punksein irgendwann so etwas wie ein Hause, das er anderswo nie besessen hat. Bis er umgebracht wurde…

Mich berührte das Stück über ihn vor allem, weil ich merkte, dass ich auch 27 Jahre nach seiner Tötung noch nicht damit fertig bin. Und mich berührt, dass sich junge Menschen überhaupt mit seinem Leben und Sterben beschäftigen. Wenn einige von ihnen in der Vorstellung und danach noch immer Tränen in den Augen haben, finde ich es äußerst bewegend. Als Akteure der damaligen Zeit mussten wir unsere Emotionen verdrängen. Wir hätten als schwach gegolten, wenn wir etwas anderes als unsere Wut zugelassen hätten. Selbst in mir habe ich lange keine Traurigkeit gespürt. Umso mehr ist es befreiend, dass ich nun endlich, auch anhand solcher Aufführungen, das Leid meines Gefährten spüren und um ihn trauern kann. Ich weiß nicht, ob oder wie viele Menschen jemals um Sven geweint haben - dass es heute aber einige tun, die ihn nicht einmal kannten, lässt ihn weiterleben. Dafür danke ich den Schülerinnen und Schülern sowie Heike Schade von ganzem Herzen. #SvenBeuter

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