Hamburg ist auch für einen die Großstadt im Normalfall verweigernden Menschen wie mich eine Reise wert, vor allem, wenn sie cineastisch Gehaltvolles bietet: Die knapp eintausend Plätze im charmanten Ambiente des Saal 1 im Cinemaxx am Dammtor haben nicht ausgereicht, sodass hier und dort auch die Aufgänge von Interessierten besetzt worden sind, als die "Hamburg Media School" die Abschlussfilme ihrer Absolventinnen und Absolventen vorstellte und dabei ausnahmslos auf sehr hohem Niveau Produziertes zeigte, in dem sich Bildästhetik und die Relevanz der einzelnen Aussagen nicht nur ergänzten, sondern symbiotisch wurden. Nicht grundlos sind alle sechs zwanzigminütigen Kurzfilme bereits zu nationalen und / oder internationalen Filmpreisen nominiert worden. Filme, die stellenweise den Atem nahmen, die zu Tränen und innigen Umarmungen nötigten, die Tod und Leben sich fast magnetisch anziehen ließen und die Frage stellten, ob wir sanft und in Liebe oder mit blinder Gewalt agieren und letztendlich töten wollen. Wie gehen wir mit Schuld um, mit denen, welche wir verletz(t)en? Wie gehen wir mit antiquierten Vorstellungen um, in denen Menschen sich nicht entfalten und über ihre Zukunft frei entscheiden dürfen? Wie gehen wir mit stressigen Arbeitsbedingungen und schwierigen familiären Bedingungen um? Wie mit unserer scheinbaren Hilflosigkeit in jahrhundertelang gewachsenen Machtgefügen, die Wahrheiten ignoriert und Verbrechen schützt? Wie gehen wir mit all dem als Gesellschaft und als Individuen um engsten Kreis um?
Die Künstlerinnen und Künstler zeigten Filme der Verzweiflung, des Weitermachens, des Verzeihens, Geschichten von und Liebeserklärungen an alltägliche Helden und oft ignorierte Opfer des nicht immer vorsätzlichen Missbrauchs - mit tragischen bis versöhnlichen Finals. Sie zeigten das, wie Kino sein muss: agierend weit abseits der Belanglosigkeit mit den Fingern in unseren Wunden, die bestenfalls zur Reflexion und Veränderungen ermutigen können, um einer vielleicht weniger zerstörerischen Lebensweise nachzugehen. Die Gefahr, dass wir vor einer ebensolchen und gesamtgesellschaftlich in verheerendem Ausmaße stehen, wurde in nicht nur einer der zwischen den Filmen von den Schaffenden getätigten Ansagen deutlich. Eindringliche Appelle an die Würde und Menschlichkeit in uns und das Werben für ein respektvolles Kennenlernen und die Akzeptanz unserer (vermeintlichen) Unterschiede. Passend dazu wurden erstmals auf der Veranstaltung auch die Ergebnisse des neuen Studiengangs "Werteorientierter Werbefilm" vorgestellt, welche für Erkenntnis und nachhaltige Entwicklung sowohl unserer Persönlichkeiten, als auch unserer Umwelt warben.
Dass die Finanzierung von Kunst und Kultur gerne gegen jene von Dienstleistungen und Produktionsprozessen in anderen Bereichen abgewogen und gegeneinander ausgespielt werden, erlebe ich dieser Tage in wesentlich schärferer Form, als in den vergangenen Jahren. Zumindest das Land Hamburg scheint verstanden zu haben, dass wir Künstlerinnen und Künstler nur dort, wo wir am leistungsfähigsten sind - dann, wenn wir die Möglichkeit haben, unsere Kreativität und Passion auszuleben - auch am ehesten etwas für viele Menschen Wertvolles zurückgeben können: Im bundesweit rückläufigen Trend, was die Kulturbudgets angeht, legt die Hansestadt im nächsten Doppelhaushalt noch einmal zehn zusätzliche Millionen Euro in die regionale Filmförderung. Wo dieses Geld her- und schließlich ankommt und ob auch "quereinsteigende" Filmemacherinnen und -macher, die nicht die klassischen Ausbildungswege gegangen sind, etwas davon haben, entzieht sich zwar meiner Kenntnis, aber der Schritt, Kunst und Kultur weiterhin und vielleicht noch besser zu fördern, geht mit Sicherheit in die richtige Richtung. Zumindest in den diesjährigen Abschlussarbeiten der Hamburg Media School empfand ich jeden Euro als sehr gut angelegt. Ich wünsche allen Filmen ein möglichst zahlreiches Publikum und freue mich, wenn ich bei einem weiteren Projekt der Hamburg Media School wieder dabei sein darf. Hamburg, das war wirklich gut! Auf die Kultur, auf dass wir nicht verrohen!