Brandenburg an der HavelAuch wenn Brandenburg an der Havel immer wieder namhafte Künstler hervorgebracht hat (genannt seien hier nur die Schauspielerin und heutige Silly-Frontfrau Anna Loos, der Humorist Loriot, die Schriftsteller C.U. Wiesner und Frederike Frei, Sänger Rudi Schuricke sowie Drehbuchautorin und Regisseurin Sylke Enders), findet die Kreativität vieler Brandenburger fast nur im Verborgenen statt. Oft wird sie lediglich beachtet von einer eher kleinen Schar an Kunst- und Musikliebhabern. So kommt es, dass Veranstaltungshäuser wiederholt um ihren Status als kulturelle Einrichtungen kämpfen müssen und immer wieder vor dem Aus standen und stehen. Glücklicherweise aber haben die Kulturinteressierten mehrmals einen langen Atem bewiesen und es konnten einige der wichtigen Stätten gerettet werden. Zu Recht, denn selten waren Brandenburgs Künstler und Musikschaffende aktiver, als in den letzten zwanzig Jahren. Vor der politischen Wende in der DDR war es die seit 1983 bis heute unter dem Namen Patchwork auftretende Band, deren Geschichte sich bis in das Jahr 1968 zurück verfolgen lässt, als Pfarrer Manfred Domrös junge Musiker aus evangelischen und katholischen Gemeinden in und um Brandenburg für eine Musikgruppe abseits der FDJ und gleichgeschalteter Kulturlandschaft  begeistern konnte. Ansonsten aber gab die aktive Musikszene der Stadt zu Zeiten des SED-Regimes nicht allzu viel her. Abgesehen von Tanzkapellen wie der auch noch heute aufspielenden Toscana-Band, tat sich kaum etwas in den ohnehin nicht vorhandenen Proberäumen der Stadt. Trotzdem gab es in den 1970er und 80er Jahren, in denen auch die frühen Wurzeln der Macher des Grenzton-Labels liegen, durchaus viele Musikinteressierte im fast zur Großstadt angewachsenen Stahlwerkerort.

Während sich im Brandenburger Theater hin und wieder bekannte ostdeutsche Künstler die Ehre gaben, gastierte mit Costa Cordalis und Jürgen Drews sogar bundesdeutscher Besuch in der Veranstaltungshalle am Stahl-Stadion. Für die Fans rockigerer Klänge dann waren die gut besuchten Rocknächte (u.a. Karat, City) auf der Freilichtbühne am Marienberg, für Jugendliche der Auftritt von Amor & the Kids in der Diskothek Beimler wahrscheinlich interessanter. Aber auch die in der DDR so zu bezeichnende Subkultur fand ihre zahlreichen Anhänger in der Havelstadt. Neben einer großen Blues- und Heavy Metal-Szene waren auch Punks in Brandenburg auszumachen. Alle verband die gemeinsame Tatsache, dass sie mitunter weit und meist in ländliche Gebiete reisen mussten, um ihrer Musik auch live zugetan zu sein.

Erst nach der politischen Wende und mit Zugang zu Instrumenten für jeden und die Möglichkeit freier Programmgestaltung dann tat sich auch etwas auf dem Musiksektor der Havelstadt. Erste Bands wie Freitod und Potatoe Connection spielten Konzerte, etwas später dann war Crawfish eines der Aushängeschilder. Auch die Punkszene wuchs schlagartig an und wurde um einige Bands erweitert. Als bekanntesten Vertreter galten bald die Bloody Bones, deren Sänger Johnson auch heute noch mit einem Ableger (Blutiger Osten) unterwegs ist. Seit 1994 sorgen die immer noch aktiven Scrap als einzige Band, die diverse Umbrüche überlebt hat, für härtere Klänge in Brandenburg. Unzählige, qualitativ hochwertige, aber kurzlebige Projekte bestimmten diese Zeit. So waren auch die Pötsch-Brüder mit Bands verschiedener Genres in verschiedenen Städten unterwegs, bevor Thoralf sich, nach musikalisch sehr umtriebigen Jahren in Leipzig, wieder in Brandenburg niederließ und seitdem als Gitarrenlehrer und Produzent arbeitet. Mit Pötsch und Band, 50 Hertz und Funny Farm belebte er die musikalische Landschaft seit jener Zeit. Neuestes Projekt ist die Brandenburger Band Puls-T, die er gemeinsam mit Torsten Gränzer ins Leben rief. Sie vereint zehn Künstler unterschiedlicher Stilrichtungen, was für Abwechslung in den Songs sorgt. Für Furore sorgten Ende der 90er Jahre die Needful Things um Sängerin Klara mit erfrischend anderem Sound in der Havelstadt. Schlagzeuger war in jener Zeit der heute bei Puls-T spielende Gunnar Göritz. Eine der aktivsten und innerhalb Deutschlands weitgereisteten Bands Brandenburgs ist die Deutschrock-Formation Fauxpas, die zwischen 1996 und 2008 mehrere Alben produzierte und auch über die Grenzen der Regionen hinaus Bekanntheitsstatus erlangte. 

Zwischen 2007 und 2009 gab es mit den Off Limits auch endlich einmal eine reine Frauenrockband in der Musiklandschaft. Mit dabei waren die heutigen Puls-T-Sängerinnen Anja und Jana. Heute sind es vor allem junge Bands wie Nikaya und die von Jürgen Block produzierten The Pauls, die in Brandenburg Beachtung finden. Aber auch außerhalb der Stadtgrenzen waren und sind Brandenburger Künstler unterwegs, so zum Beispiel Sebastian Block in der Berliner Band Mein Mio, nach deren Auflösung ist er nun auf Solopfaden. Mittlerweile sogar in China bekannt ist das aus Mitgliedern der Brandenburger Symphoniker gegründete Jacaranda-Ensemble, Jazz-Freunden ist die Formation Jazzocrazz ein Begriff. Eine Reise durch die Brandenburger Musiklandschaft lohnt sich durchaus. Ihr seid herzlich eingeladen!

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